In dieser Folge der Artikelserie „Lievito Madre” erkläre ich die Auffrischungsprozedur, die ich meinem Lievito Madre täglich mindestens einmal gönne. Was Lievito Madre (abgekürzt LM) ist, wie man ihn herstellt, wie man gutes Brot ohne Kneten damit bäckt und weitere Themen habe ich in eigenen Beiträgen der Artikelserie behandelt.
Meine Beobachtung ist, dass jeder Brotbäcker mit der Zeit seine eigenen Techniken entwickelt. Am Anfang oder wenn etwas nicht funktioniert oder wenn man ein Brot kostet, dass besser schmeckt als das Eigene, sucht man nach Lösungen oder Inspritation aus fremden Quellen. Das betrifft die Teigführung, das Material, die Pflege des Starters, die verwendeten Mehlmischungen etc. Ein Bekannter, um nur ein Beispiel zu nennen, hat nach „meiner” Technik begonnen, dann aber gefunden, dass das tägliche Auffrischen zu mühsam ist. Er verwendet reinen Roggensauerteigstarter für Weizenbrot, den er nur einmal pro Woche auffrischt und im Kühlschrak aufbewahrt. In diesem Sinne ist alles, was ich auf Mybanto beschreibe sicher nicht die letzte Wahrheit. Ich habe zwar „mein” Brot gefunden, aber alles, was ich veröffentliche, ist letztlich nur meine Methode, die ich mit der Zeit entwickelt habe.
Die Artikelserie
- Nein, Lievito Madre wird nicht aus Honig oder Olivenöl gemacht. Und nein, Lievito Madre kommt nicht aus Italien
- Senza Impasto, no knead: Brot ohne Kneten – eine alte Technik aus Süditalien
- Wie stelle man einen Lievito Madre her?
- Lievito Madre täglich auffrischen (dieser Beitrag)
- Lievito Madre durch Trocknung langzeitkonservieren
- Getrockneten Lievito Madre reaktivieren
- Rezept für ein perfektes Brot mit Lievito Madre – wie Sie es in keiner Bäckerei bekommen
- Eine Gärbox für den Sauerteig und Sauerteigstarter im Eigenbau
Unterschied zwischen Auffrischen und Füttern
Der Lievito Madre ist ein Biotop aus Hefen und Bakterien, das regelmäßig mit frischem Mehl und Wasser versorgt werden muss. Weil die Menge des LM ins Unbegrenzte wachsen würde, wenn man immer nur zugibt, wird nur ein Teil des aktuellen LM hergenommen (der Rest wird entsorgen oder verbacken) um eine neue Generation zu mischen. Für diese Erneuerung des Starters verwende ich die Begriffe Füttern und Auffrischen in definiert unterschiedlicher Weise:
Gibt man beim Füttern dem LM nur etwas Mehl und Wasser, wird er beim Auffrischen mit dem Mehrfachen seines Eigengewichts verrührt.
Im Prinzip sind Auffrischen und Füttern gleich: Man erzeugt aus dem alten LM einen neuen LM. Das Auffrischen ist aber aggressiver, indem eine kleine Menge Lievito Madre mit einer vergleichsweise großen Menge Mehl und Wasser zu einem neuen Starter zusammengerührt wird: Er wird dabei beim Anmischen so stark verdünnt, dass er sich in der anschliessenden Metabolisierungsphase gleichsam neu erzeugt.
Beispiel Füttern: Neuer LM = 100 g alter LM + 20 g Mehl + 20 g Wasser
Beispiel Auffrischen: Neuer LM = 20 g alter LM + 40 g Mehl + 40 g Wasser
In welchen Situationen füttern?
Ich füttere den Lievito Madre immer, wenn er schwach oder ungesund ist. In diesem Fall würde er bei einer aggressiven Auffrischung zu sehr verdünnt.
Der LM ist in drei Situationen schwach1. In den ersten Tagen seiner Herstellen, wenn wir ihn gleichsam aus dem Nichts erschaffen (siehe Beitrag hier)
2. Wenn er nach der Trockung oder längerer Kühlung reaktiviert wird (siehe hier)
3. Wenn wir ihn so sehr vernachlässigt haben (zu lange nicht gefüttert, ständg wechselnde Temperatur), dass das Biotop stark degradiert ist. Dies ist oft erkennbar an einem stichigen Essig- oder Alkoholgeruch.
Nach wenigen Zyklen der Fütterung ist der LM dann meist so stark, dass wir wieder zur Auffrischung übergehen können. Wie ich genau füttere, ist in den entsprechenden Beiträgen zur Herstellung und Reaktivierung des LM beschrieben. In diesem Beitrag geht es um das routinemäßige, tägliche Auffrischen.
In welchen Situationen auffrischen?
Wenn der Lievito Madre stark und gesund ist, frische ich ihn mindestens einmal täglich mit dem Mehrfachen seines Eigenwichts auf. Ich wende dabei stets die Formel 20:40:40 an wie oben beschrieben.
Beispiel für einen gesunden Lievito Madre
Der ideale Zeitpunkt zum Füttern / Auffrischen
Der ideale Zeitpunkt sowohl für das Füttern als auch das Auffrischen ist das kurze Zeitfenster, in dem der LM seine größte Volumenausdehnung hat. Die Volumenzunahme ist eine Folge der CO2-Produktion der Mikroorganismen. Sind Stärke und Eiweiß im Mehl verbraucht, beginnen die Hefen abzusterben. Mit ihrem Ableben sinkt die CO2-Produktion, die bald vollständig zum Erliegen kommt. Gleichzeitig wird der LM infolge der Aktivität der Bakterien immer saurer. Das macht sich an einem markanten Essigstich bemerkbar.
Wenn der LM schwach ist, ist die Volumenausdehnung geringer und er benötigt länger, um das Volumenmaximum zu erreichen. Ein starker LM kann sein Volumen unter idealen Bedingungen in 3,4 Stunden fast verdreifachen.
Die Auffrischungsprozedur
Diese Prozedur führe ich einmal pro Tag durch. Man sollte darauf achten, dass an den Arbeitsgeräten und dem Behälter keine Spülmittelreste anhaften.
- Vom aktuellen Lievito Madre nimmt man 20 g. Den Rest entsorgt man oder bäckt Brot damit. Die von mir verwendeten Mengen sind so berechnet, dass die Menge des nicht benötigten LM exakt der Menge entspricht, die ich für mein Brotrezept benötige.
- Den entnommenen LM mischt man mit 40 g Wasser und 40 g Mehl. Das Wasser darf kein Chlor enthalten. Es reicht, die Mischung nur grob anzurühren. Man achte darauf, dass der frisch angerührte LM nicht zu flüssig ist: Die Konsistenz sollte eher pastös den flüssig sein. Je flüssiger der LM, desto saurer wird er.
Früher habe ich geschrieben, dass das Wasser Raumtemperatur haben sollte (ca. 23°C). Das ist unpräzise, weil es nur für meinen Fall gilt (denn ich frische täglich 2 x auf): Die Temperatur des Wassers, die Du zum Auffrischen verwendest, entscheidet darüber, a) wie lange der LM benötigt, um seine maximale Ausdehnung zu erreichen und b) welche Mikroorganismen damit am Besten zurecht kommen. Manche verwenden 8°C kaltes Wasser, um zu verhindern, dass der LM zu schnell gärt. Die Temperatur des Wassers ist evolutionstheoretisch gesprochen ein Selektionsfaktor.
- Das Gefäß mit dem frisch angerührten Starter mit eingestochener Folie bedecken und an einen Ort mit konstanter Wärme idealerweise zwischen 25°C–28°C stellen.
Schale oder transparenter Messbecher?
Völlig egal. ich verwende meist eine Schale, die ich auch nur einmal pro Woche wechsle (wenn die eingetrockneten Teigbrocken zu sehr abblättern). Mehl und Wasser gebe ich meist nach Gefühl dazu. Die Folie zum Abdecken verwende ich auch wochenlang. Einen transparenten Pyrex-Messbecher verwende ich, wenn ich die Blasenbildung und Volumenzunahme genauer beobachten möchte.
Für das Brotbacken sinnvolle Hilfsmittel*
Man benötigt für das Brotbacken und bei der Arbeit mit Lievito Madre bestimmte Hilfsmittel. Am wichtigsten ist eine große Teigschüssel mit Deckel und ein feuerfester Topf. Beide Geräte sind in ihrem Gebrauch nicht auf das Brotbacken begrenzt, sondern auch anderweitig einsetzbar. Gleiches gilt für den Messbecher. Der Gärkorb ist nicht essentiell, der Teig wird dadurch aber gut belüftet.