Vor einigen Monaten fiel mir in einem Geschäft mit dem Namen Schaukäserei Wiggensbach ein Rahm mit 36 % Fettgehalt ins Auge. Der kleine aber sehr feine Betrieb hat im Angebot, was uns Deutschen im Supermarkt und Biohandel meist vorenthalten wird: Wirklich fetten Rahm. Im englischen Sprachraum würden man den Schlagrahm der Schaukäserei als sog. Heavy Cream oder Heavy Whipping Cream bezeichnen. In Deutschland haben wir nicht mal eine allgemein gebräuchliche Bezeichnung dafür: Denn anders als in Japan oder England beschränkt sich hierzulande das Angebot meist auf Rahm mit 30% oder 32% Fettanteil.
Getestet und für optimal befunden
Immer auf der Suche nach dem besten Ausgangsmaterial für die anspruchsvolle Küche, haben wir den Rahm von der Schaukäserei sofort in der Praxis eingesetzt. Das Ergebnis: Der Rahm ist das Beste, was wir bisher verarbeitet haben. Er lässt sich zu einer cremigen, standfesten Sahne schlagen. Sie krieselt nicht und eignet sich deswegen ideal, um Rollen zu füllen oder Torten einzustreichen.
Leider ist die Empfehlung nur relevant für Menschen im Einzugsbereich der Schaukäserei in Wiggensbach oder Durchreisende. Darüberhinaus ist der Rahm nicht immer vorrätig, es kann also sein, dass man umsonst den Weg nach Wiggensbach auf sich nimmt. Wer es ernst meint, ruft also besser vorher im Laden an.
Besonders gefällt uns, dass die Milch nicht homogenisiert und nach Bioland-Kriterien produziert ist. Durch den Verzicht auf Homogenisierung mag die Cremigkeit und Streichfestigkeit im Vergleich mit den Industrieprodukten vielleicht etwas weniger ausgeprägt sein, bei unseren Versuchen hat sich das aber nicht bemerkbar gemacht. Verarbeitet man den Rahm frisch, sollte das ohnehin keine Rolle spielen, weil der Rahm keine Zeit hat, in Molke und Fettanteil zu zerfallen.
Wozu braucht man überhaupt Sahne mit 36 % Fettgehalt?
Je höher der Fettgehalt des Rahms, desto fester, cremiger, standfester und streichfähiger wird die geschlagene Sahne. Gegenüber dem handelsüblichen Schlagrahm mit 30 % oder 32 % Fett hat Rahm mit 36 % Fettgehalt überlegene Verarbeitungseigenschaften. Dies spielt bei der Verwendung als „Topping“, dem Sahnehäubchen bei der Kuchenorgie am Sonntagsnachmittag, weniger eine Rolle, obwohl auch hier mehr Fett mehr Geschmack und eine cremigere Konsistenz bedeutet. Besonders günstig hingegen ist der hohe Fettgehalt bei der Verarbeitung in Torten oder Rollen. Beispielsweise für Biskuitrollen, die mit Sahne gefüllt werden oder für die sog. Shoto-Keki, eine Erdbeer-Biskuittorte, die mittels eines Drehtellers und einer Streichpalette rundum dick mit Schlagsahne überzogen wird, ist die Cremigkeit und Streichfähigkeit essentiell. Handelsübliche Sahne krieselt schnell mal und man ist versucht, mit Konsistenzgebern wie Johannisbrotkernmehl zu tricksen. In Japan und England ist der Bedarf an Rahm mit 36 % Fettgehalt auf Endverbraucher-Ebene vorhanden und wird auch von der Angebotsseite befriedigt.
Warum das im Milch-Land Deutschland anders ist, dafür habe ich keine Erklärung.
Exkurs: Deutsche, englische, französische, japanische Bezeichnungen und etwas Konfusion
Wer häufig auf englischen, französischen oder italienischen Rezept-Seiten recherchiert, stößt bei Molkereiprodukten regelmäßig auf Bezeichnungen, für die es bei uns keine Entsprechung gibt. Bei Sahne ist die Verwirrung besonders groß. Das notorische Wikipedia verzapft auch in diesem Zusammenhang wieder einmal etwas Unsinn und bringt mehr Konfusion als Klarheit in die Sache: Ich kenne z. B. niemand, der die Bezeichnung „Schlagsahne extra“ verwendet, auch der Begriff „Konditorsahne“ wird Ihnen nicht weiterhelfen, wenn Sie im Supermarkt nach Rahm mit 36 % Fett suchen.
Zusammengefasst kann man sagen, dass die englischen und japanischen Bezeichnungen am meisten Sinn ergeben, die deutschen und französischen Bezeichnungen sind verglichen dazu unvollständig.
Bezeichnungen für Rahm mit unterschiedlichem Fettgehalt in Deutschland, England, Frankreich
Deutsch | Englisch | Französich | Japanisch | Fettgehalt | Konsistenz |
Sahne, Schlagsahne, Schlagrahm, Rahm | Whipping Cream | Crème liquide, Crème fraiche liquide, Crème fleurette (wenn nicht pasteurisiert). | Fresh Cream, Nama kurimu | mind. 30 % | flüssig |
Keine standardisierte Extra-Bezeichnung. Gelegentlich kommen einem die Bezeichnungen „Schlagobers“ (Österreich) oder „Konditorsahne“ unter. | Heavy Whipping Cream, Heavy Cream | Keine standardisierte Extra-Bezeichnung. | Fresh Cream 35 %, Nama kurimu 35 % | 35 % – 40 % | flüssig |
Keine standardisierte Extra-Bezeichnung. Mir ist in Deutschland noch nie flüssiger Rahm mit 47 % Fettgehalt untergekommen. | Double Cream | Keine standardisierte Extra-Bezeichnung. | Fresh Cream 47 %, Nama kurimu 47 % | 45 % – 48 % | flüssig |
Crème double ist in Frankreich eine stichfeste, gereifte Sahne, die sich nicht schlagen lässt. Dies gilt auch für das gleichnamige Produkt von Dr. Oetker. Sie wird auch als Crème epaisse bezeichnet im Gegensatz zur Crème liquide, die unserem Schlagrahm entspricht. Crème fraiche liquide ist ebenfalls meist ungesäuerter Rahm, also insbesondere nicht mit der unsrigen Crème fraiche zu verwechseln, die meist kurz kurz für Crème fraiche epaisse steht, also dem stichfesten Sauerrahm nach französischer Art. Alles klar jetzt?
Der erste Test: Als Topping
Zunächst haben wir den 36%-Schaukäserei-Rahm zu einer Schlagsahne für einen Johannisbeerkuchen geschlagen. Das Ergebnis war überwältigend. Die Sahne hat eine perfekte cremige Konsistenz, sie ist schwer aber nicht buttrig, luftig und hat ein angenehmes Aroma. Geschmacklich ist der Rahm fast eine Liga für sich, vergleicht man diese Sahne insbesondere mit den technisch perfekten aber geschmacklich grenzwertigen japanischen Präparaten oder auch dem mit Carragen versetzten Industriemüll in deutschen Supermarktregalen.
Sahne schlägt man übrigens möglichst kalt (5 °C) in einer möglichst kalten Schüssel. Zuweilen findet man den Hinweis, dass mittlere Geschwindigkeit des Handrührgeräts günstig sei. Ich verwende hingegen meist die höchste Stufe, höre aber stets auf, bevor die Sahne ihre endgültige Konsistenz erreicht hat, und schlage mit dem Schneebesen von Hand bis der ideale Punkt erreicht ist.
Der ernste Test: Für eine Crème pâtissière Madame
Unser eigentliches Interesse galt aber der Frage, wie sich der geschlagene Rahm bei der Verarbeitung zu einer sog. Crème pâtissière Madame (kurz Crème Madame) macht, die wir für diese Matcha-Biskuitrolle verwenden.
Das Problem
Crème Madame ist eine Crème pâtissière, die in einem bestimmten Verhältnis (bestimmt durch den Verwendungszweck) mit Schlagsahne verrührt wird. Die Crème Madame schmeckt dann etwas leichter und weniger puddingartig, was in bestimmten Situationen gewünscht ist. In Japan wird eine Art Creme Madame z. B. bei Windbeuteln (Shukurim) verwendet. Creme Madame ist weniger standfest als Crème pâtissière: Verrührt man Schlagsahne mit Crème pâtissière, geht die zuvor eigeschlagene Luft verloren und das Ganze wird flüssiger. Dies ist kein Problem, wenn man Windbeutel oder Eclairs damit füllt. Befüllt man aber eine Rolle damit, fließt die Crème beim Einrollen an den Seiten heraus. Das Probem der zu flüssigen Creme lässt sich entweder mit Konsistenzgebern lösen, die die Creme wieder andicken, oder indem man die Creme sehr stark herunterkühlt.
Als Puristen verzichten wir auf Konsistenzgeber, weil der Geschmack der Creme darunter leidet. Auch leichte Gaben von Puderzucker-Johannisbrotkernmehl-Mischungen teilen sich dem Gaumen mit. Ausserdem führ speziell Johannisbrotkernmehl dazu, dass die damit angedickten Flüssigkeiten einen Touch von Tapetenkleister bekommen.
Unsere Arbeitshypothese war, dass bei Verwendung eines Rahms mit 36 % Fettanteil die Sahne standfester wird als mit Rahm mit 30% oder 32%.
Das Ergebnis
Bei Verwendung des Rahms mit 36 % Fettanteil der Schaukäserei wird unsere Crème Madame fester und cremiger. Eine gründliche Kühlung der Creme vor der Verarbeitung für die Rolle ist zwar immer noch ratsam, die Creme erhält aber eine bessere Konsistenz.
Der Vorgang zur Herstellung der Crème Madame bleibt ansonsten der gleiche: Man bereitet eine sehr feste Crème pâtissière zu (indem man den Anteil an Mehl erhöht) und stellt diese kühl. Dann schlägt man die Sahne und mischt diese portionsweise unter die durchgekühlte Crème pâtissière. Diese Mischung wird vor der Verarbeitung in einer Rolle erneut gekühlt, für Shukurim, Windbeutel oder Eclairs kann sie sofort weiterverarbeitet werden.
Der Rahm hat sich übrigens deutlich länger im Kühlschrank gehalten, als auf dem Etikett angegeben. Klare Empfehlung für den Rahm mir 36 % Fettanteil der Schaukäserei Wiggensbach. Um sicherzugehen, dass ausreichend Ware da ist, ggf. vorher anrufen und reservieren lassen.
Kontakt
Bio-Schaukäserei Wiggensbach eG
Kempter Straße 9
87487 Wiggensbach
Telefon: +49 (0) 83 70 / 92 10 10
Fax: +49 (0) 8370 / 92 10 11
info@schaukaeserei-wiggensbach.de
Anmerkung: Mybanto hat keine Beziehung zur Schaukäserei.