In die Joghurtbereitung investiere ich drei Mal pro Woche jeweils nicht viel mehr als 5 Minuten – ich habe es gemessen. Spülen und Aufräumen inklusive. Diese Effizienz ist für mich wichtig bei allen wiederkehrenden Tätigkeiten, weil sonst meine Anfangseuphorie schnell verloren geht und ich in alte Verhaltensmuster zurückfalle (in diesem Fall: Joghurt im Laden kaufen). Wie ich den Joghurt-Produktionsprozess auf maximale Effizienz getrimmt habe und um ein paar weitere Dinge rund um Joghurt, darum geht es in diesem allgemein gehalteten Artikel. Die konkrete Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Herstellung von Joghurt mithilfe einer Mikrowelle habe ich in einem separaten Artikel dokumentiert.
Aktualisierung Inzwischen verwende ich die Starterkultur von Bacillus Bulgaricus*. Die Joghurt-Reifung hat sich dadurch von 12–14 Stunden auf 6–8 Stunden reduziert. Als Joghurtreifer verwende ich nach wie vor eine unkomplizierte und völlig ausreichende Styroporkiste wie z.B. hier und hier beschrieben, habe aber inzwischen auf das 6-Gläser-Modell umgestellt, das ich Ende 2020 beim Käsereibedarf Effinger im Laden vor-Ort in Sonthofen für kaum zu unterbietende 8.90 € erworben habe (bei Online-Bestellung fallen Versandkosten an) .
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Drei Voraussetzungen für Effizienz
Damit die Joghurtproduktion in wenigen Minuten vonstatten geht, müssen 3 Vorausssetzungen gegeben sein.
- H-Milch; die benötigte Menge kaufe ich drei Monate im Voraus ein.
- Mikrowellenherd, der die Milch auf Knopfdruck ohne weiteres Temperaturmessen auf die benötigte Temperatur erwärmt.
- Stromloser Joghurtbereiter, den ich ohne Kabel überall plazieren kann, wo es mir gerade passt (muß ein warmer Ort sein).
Für Joghurt muß man die Milch ohnehin sterilisieren. Bei H-Vollmilch (ich verwende eine mit 3,8% Fettgehalt) ist das nicht mehr nötig. Dem fertigen Joghurt merkt man diese Herkunft nicht an, er schmeckt vorzüglich. Die Reifungsdauer des Joghurts hängt vom verwendeten Ferment ab. Früher dauerte es zwischen 12–14 Stunden, inzwischen arbeite ich mit der bereits erwähnten Starterkultur von Lactobacillus Bulgaricus*, die nur 6–8 Stunden benötigt. Als Starter verwende ich meinen bisherigen Joghurt (man nennt das „überimpfen“). Für einen Liter Milch verwende ich einen guten Esslöffel des alten Joghurts.
Kalibrierung der Mikrowelle
Nach einer einmaligen Kalibrierung weiß ich, dass mein Mikrowellenherd 1 Liter Milch (Raumtemperatur) bei 360 Watt in 3:50 Minuten auf ca. 42°C erhitzt, konstant und zuverlässig. Es wird kein Thermometer mehr benötigt. Die Kalibierung funktioniert so: Man erhitzt die Milch in Etappen so lange, bis die gewünschte Temperatur erreicht ist (besonders praktisch ist z.B. dieses Infrarot-Thermometer*). Dann zählt man die Etappen zusammen und schon hat man die benötigte Dauer.
Bosch Mikrowelle HMT75M451
Als Mikrowellenherd habe ich mir vor wenigen Jahren ein dezentes 17-L-Gerät von Bosch* gegönnt (und meine jahrzehntelangen Bedenken gegen mikrowellenerhitztes Essen überwunden), das mit seiner Edelstahl-Optik nicht nur nicht kontinuierlich das Auge beleidigt, sondern ohne viel Schnickschnack auskommt.
Joghurtbereiter
Als Joghurtbereiter verwende ich eine stromlose „Joghurt-Box“. Mein Modell von A. Vogel (nicht mehr erhältlich) habe ich aus Blödheit Unachtsamkeit im Ofen zum Schmelzen gebracht. Inzwischen verwende ich eine Styroporbox für 6 Gläser (insges. ca. 2 Liter), die ich bei einem Allgäuer Käsebedarfshändler erworben habe. Eine Alternative ist auch dieses Modell*, mit welchem der Joghurt auf zwei Gläser verteilt ist. Interessant könnte auch diese Variante sein*, bei der die Milch – so habe ich es verstanden – nicht mehr erwärmt wird. Stattdessen kommt heißes Wasser als Wärmemittel zum Einsatz.
Exkurs: Wie man Joghurt macht
Joghurt erzeugt man aus steriler Milch (oder auch z.B. Sojamilch), die man mit Joghurt-Bakterien (spezielle Milchsäurebakterien) versetzt. Der Fachausdruck dafür lautet „impfen“ oder „inokulieren“. Als Impf-Substrat nimmt man entweder ein Joghurt-Ferment (meist ein Trockenpulver) her oder bedient sich seines bisherigen Joghurts, der diese Kulturen ja enthält.
Überimpfen
Verwendet man den bisherigen Joghurt für den neuen Joghurt, wird das als „Überimpfen“ bezeichnet, wobei das „über“ in diesem Fall nicht „zu viel“ sondern „übernehmen“ (der Mikroorganismen) vom bisherigen Joghurt zu einem Neuen bedeutet). Die Milch muss steril sein, damit die Joghurtkulturen nicht mit anderen Milchsäurebakterien konkurrieren müssen.
Vollmilch, Vorzugsmilch, H-Milch
Man kann mit Vollmilch oder Vorzugsmilch arbeiten, diese müssen jedoch zunächst bis kurz vor den Siedepunkt gebracht und dann auf ca. 44°C abgekühlt werden, während H-Milch, die ja bereits sterilisiert ist, nur auf 44°C zu erwärmen ist.
Grenzen des Überimpfens
Überimpfen ist eine Materie für sich: Manche sollen vor Jahren mit einem Supermarktjoghurt begonnen haben – und überimpfen seitdem ohne die Kultur aufzufrischen zu müssen, bei anderen wiederum ist zu lesen, dass nach wenigen Malen Überimpfen die Kraft der Joghurtkulturen am Ende ist, was ich herzhaft bestätigen kann: Statt rechtsdrehenden Bakterien dominierten dann linksdrehende (oder umgekehrt – wahrscheinlich auch egal, denn wie in der Politik ist das Links-Rechts-Gedöns auch beim Joghurt wohl nur eine Nummer, um uns vom Wesentlichen abzulenken), der Joghurt würde saurer oder flüssiger etc. Wie bei Sauerteig spielen Temperatur und Lagerzeit eine Rolle, anders als bei Sauerteig scheint aber die genetische Zusammensetzung der Kulturen ausschlaggebend zu sein.
Meine Hypothese: Je „labor-optimierter“ die Joghurtkultur ist, desto weniger stabil wird sie gegen Überimpfen sein. Die Joghurt-Kultur-Hersteller züchten seit langem ihre eigenen Mikroorganismus-Stämme, die nur im Labor in der gewünschten Reinheit fortbestehen können. Nach wenigen Reproduktionszyklen ist das Joghurt-Volk am Ende und es gilt, einen (kostenpflichtigen) Neuanfang zu machen.
„Heirloom“-Kulturen
Langfristig lohnt es sich für Menschen mit einem Hang zur Selbstversogung, mit althergebrachten Kulturen zu arbeiten und sich eine Joghurtkultur zuzulegen, die sowohl dem eigenen Geschmack entspricht als auch über einen langen Zeitraum unter Produktionsbedingungen eines Privtahaushaltes überimpf-stabil bleibt. Im Internet wird man zwar sehr schnell fündig bei der Suche nach diesen sog. Heirloom-Kulturen oder Heirloom-Startern, die tatsächliche Auswahl erscheint mir aber sehr begrenzt. Dazu haben wir kaum eine Möglichkeit, zu überprüfen, ob es sich bei der als Heirloom-Kultur vertriebenen Ferment tatsächlich um eine Kultur handelt, die über eine bulgarische Großmutter in den Westen. Ich habe mich aktuell auf den Heirloom Johjurt-Starter von
Heirloom bedeutet wörtlich „Erbstück“, aber diese Bezeichnung ist in diesem Zusammenhang grenzdebil. Blogger und Hersteller, die althergebrachte Joghurt-Kulturen als „Erbstück-Kulturen“ bezeichnen, legen denn auch das Sprachgefühl eines Holzpfostens zu Tage – und ich setze diese Sprachgenies sofort auf meine Blacklist. Übersetzen wir Heirloom adjektivisch mit „althergebracht“, Heirloom-Kulturen mit Ur-Joghurt-Kulturen, dann klingt das doch schon besser.
„Probiotisch“? Wahrscheinlich Volksverdummung
Ich behandle sog. „probiotischen“ Joghurt als mikrobiellen Sondermüll. Aus Darmbakterien abgeleitet, versuchen die Zauberlehrlinge von Danone & Co. der Welt seit Jahrzehnten einzureden, dass ihre dem Joghurt zugesetzten Designermikroben (spezielle Bifidus-Kulturen) die Magenpassage überlebten und besonders gesundheitsförderlich seien. Leider verwendet auch die Bioszene häufig diese sog. probiotische Kulturen.
Was ist neben den klassischen Milchsäurebakterien Lactobacillus bulgaricus and Streptococcus thermophilus zur Dicklegung und Säuerung noch erlaubt?
In Deutschland fast alles, was sauer macht. Mit welchen Milchsäurebakterien Joghurt gemacht werden darf, wird hierzulande kaum eingeschränkt. Die großindustriellen Hersteller dürfen so z.B. mit Bifidus-Kulturen fermentierten Joghurt als probiotischen Joghurt vermarken, während manche Länder nur mit Lactobacillus bulgaricus und/oder Streptococcus thermophilus fermentiertem Joghurt die Bezeichnung „Joghurt” zugestehen. Lactobacillus acidophilus ist eine weiterer Nicht-Klassiker, der selbst von den Demeter-Kosmobiodynamikern nicht verschmäht wird, und deswegen sehr beliebt ist, weil der Joghurt weniger sauer wird.
Wenn Du also nur die klassischen Joghurt-Bakterien suchst, ist z.B. der Berchtesgadener-Land-Joghurt (s.u.) kein idealer Starter. Ich selbst habe damit gemischte Erfahrungen gemacht: Anfänglich wird der Joghurt gut, aber er lässt sich nicht sehr lange überimpfen. Immerhin konnte ich den Joghurt öfter überimpfen als den Joghurt, den ich mit dem Starter vom Reformhaus an gesetzt habe.
Kann man Joghurt-Starter selber machen so wie z.B. einen Natursauerteig-Starter für Brot?
Ich habe lange recherchiert – und nichts dazu gefunden. Alle Blog-Artikel oder Youtube-Einträge, die großtuerisch mit „make your own yoghurt“-Titeln um Klicks buhlen beschreiben… Quark! Quark hat mit Joghurt absolut nichts zu tun, sondern ist bei Zimmertemperatur dickgelegte Milch, von der die Molke mit einem Tuch abgeseiht wird. Die dabei beteiligten Mikroorganismen sind keine Joghurt-Kulturen. Indischer Paneer wird übrigens auf ähnliche Weise bereitet.
Die Antwort lautet also: Nein, man einen Joghurt-Starter zumindest hierzulande nicht selber machen.
Empfehlenswerte Produkte*
Diese Produkte verwende ich selber, meist seit Jahren. Ich kann ie deswegen weiterempfehlen.