Wildschweinragu gehört zu den wenigen Gerichten, die man selbst in der gastronomisch überwerteten Toskana und Umbrien zuverlässig in guter Qualität serviert bekommt. Man muß aber auch zu Hause nicht darauf verzichten, denn gottlob ist es nicht wirklich schwierig, Ragu di Cinghiale selber zuzubereiten. Wie ich das mache, darum geht es in diesem Beitrag.
Wissenwertes: Cinghiale ≠ Chingialetto plus Wildchwein in Italien ≠ wildFür dieses Ragu verwendet man, wie es der Name sagt, Cinghiale, also Wildschwein und nicht Cinghialetto (Frischling). Frischling hat noch nicht das für erwachsene Schweine typische, penetrante Wildaroma und darf nicht gebeizt werden. In Deutschland darf ein Jäger (unter Beachtung bestimmter Regeln) sein frei geschossenes Wildschwein verkaufen. Nicht so in Italien: Alle Chinghiale-Produkte, ob frisch oder Salami, sind aus kontrollierter Aufzucht. Jäger dürfen das Schwein nur selber verzehren oder an Freunde weitergeben. Mehr noch als bei uns haben dort die Hysteriker der Hygiene das Land eisern im Griff. Wer wirklich „wildes” Wildschwein aus Italien will, der muß einen Jäger persönlich kennen.
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Nichts besonderes tun, nur Fehler vermeiden
Man muß für ein Wildschwein-Ragu wirklich nichts Spezielles tun, sondern nur zwei Kardinalfehler vermeiden:
- Die Beize darf nicht für das Garen verwendet werden. Warum man die ausgediente Beize wegkippt, habe ich in diesem Beitrag beschrieben; und
- das Fleisch darf beim Anbraten nicht im eigenen Saft schmoren, sondern muß im Fett kurz aber scharf angebraten werden (wie Gulasch).
Vorsicht bei italienischen Foodblogs
Kaum ein Beitrag auf mybanto kommt ohne Seitenhieb auf die deutsche Foodbloggerszene aus. Die „Megalecker”-Experten sind mit ihrer Ahnungslosigkeit wirklich allgegenwärtig (der letzte Unsinn, den ich gelesen habe, ist, dass man bei Blätterteig Süßrahmbutter verwenden muß). Französische und italienische Seiten sind zar auch nicht pauschal unsinn-frei, aber das Niveau ist meist höher. Für das Rezept in diesem Artikel möchte ich dich aber klar vor der italienischen Bloggerszene warnen: So viel Unsinn wie zu Ragu di Cinghiale ist mir selten untergekommen: Mal verwendet einer die alte Beize, um das Ragu zu kochen, mal mischt einer das Gemüse mit dem Ragu so trocken an, dass es Einem schon vom Zuschauen der Hals einschnürt.
Kommen wir aber zum Rezept.
Rezept für Ragu di Cinghiale
Für 4–5 Personen
I. Zutaten
Für die Beize
- Ca. 0,65 l trockener Rotwein (San Giovese, Chianti, Barolo, Refosco)
- 1 Karotte
- 1 Stück Stangensellerie
- 1 weiße Zwiebel
- 3 Nelken + 10 Wacholderbeeren + 3 Lorbeerblätter
Für das Ragu
- Olivenöl
- 100 g sehr fein gehackte Zwiebeln
- 30 g sehr fein gehackten Stangensellerie
- 30 g sehr fein gehackte Karotten
- 3 Nelken + 5 Pfefferkörner + 10 Wacholderbeeren + 2 Lorbeerblätter + 1 Zweig Rosmarin und/oder Thymian
- 600 ml passierte Tomaten
- ca. 0,4 l Rotwein (s.o.)
II. Zubereitung
Der Vorlauf zu diesem Gericht beträgt mit mindestens 12-stündiger Beize und einer mindestens 6-stündigen Garzeit ca. 18 Stunden.
Beizen (Vortag)
- Wild waschen und in eine ausreichend große Schüssel geben.
800 g Wildschwein bereit zum Beizen - Zwiebel, Karotte, Stangensellerie grob teilen und mit Gewürzen zum Wild geben.
- Mit Rotwein vollständig bedecken und mit Folie abgedeckt über Nacht im Kühlschrank ziehen lassen.
Wildschwein in Rotwein baden… … und mit Folie bedeckt im Kühlschrank ziehen lassen
Garen
- Gemüse sehr fein hacken.
Stangensellerie, Karotten und Zwiebeln müssen sehr fein gehackt werden - Beize restlos abgießen. Die Gründe dafür erfährst Du hier.
Wildschwein-Beizflüssigkeit besser wegschütten - Gebeiztes Wildschwein mit Küchenpapier trocknen.
Gebeiztes Wildschwein gründlich trocknen - Olivenöl in einem schweren Topf erhitzen und Wildschwein in drei Portionen kurz scharf anbraten. Es ist wichtig, dass das Fleisch nicht im Saft schmort, sondern im heißen Öl anbrät. Fleisch dann zur Seite stellen.
Wildschwein im Öl portionsweise kurz anbraten - Zwiebeln im verbliebenen Fett und Fleischsaft bei niedrig-mittlerer Hitze mit etwas Salz langsam glasig garen.
Zwiebeln im Fleischsaft und Fett glasig braten - Karotten und Sellerei dazugeben und für ca. 5 Minuten mitdünsten.
Gemüse auf niedriger-mittlerer Hitze andünsten - Fleisch mit den Gewürzen dazugeben zum Gemüse geben. Alles bei mittlerer-hoher Hitze für 1,2 Minuten anbraten. Salzen, dann passierte Tomaten dazugeben und für weitere 1–2 Minuten dünsten.
Wildschweinstücke mit dem Gemüse anbraten - 2/3 des Weins dazugeben und abgedeckt auf niedriger Stufe für mindestens 6 Stunden leise garen. Ab und zu umrühren, bei Bedarf etwas Wasser und weiteren Wein zugeben. Je nach Stück zerfällt das Fleisch von selbst nach einer gewissen Zeit. Man kann etwas nachhelfen, indem man nach ca. 3 Stunden mit dem Löffel die Fleischstücke im Topf zerquetscht.
- Zu dem Ragu passen Orecchiette, Pasta di Gragnagno (Spaghetti), Pappardelle, Gnochi, Couscous, Spätzle. Beim Servieren großzügig mit Parmesan bestreuen.
Orecchiette al Ragu di Cinghiale
Falls Du belastbare Erfarung in der Zubereitung von Ragu di Cinghiale hast und findest, dass meine Zubereitung verbessert werden kann, würde ich mich über einen Austausch mit dir freuen.