Wildschweinragu gehört zu den wenigen Gerichten, die man selbst in der gastronomisch notorisch überwerteten Toskana und Umbrien zuverlässig in guter Qualität serviert bekommt. Man muß aber auch zu Hause nicht darauf verzichten, denn gottlob ist es nicht wirklich schwierig, Ragu di Cinghiale selber zuzubereiten. Wie ich das mache, darum geht es in diesem Beitrag. Ein Hinweis vorab: Das Ragu schmeckt am Folgetag der Zubereitung am besten.
Wissenwertes: Cinghiale ≠ Chingialetto plus Wildchwein in Italien ≠ wildFür dieses Ragu funktioniert für Cinghiale, also Wildschwein und Cinghialetto (Frischling). Frischling hat noch nicht das für erwachsene Schweine typische, penetrante Wildaroma und darf deswegen nicht gebeizt werden. Falls Du mit Frischling arbeitest, lässt Du den Beiz-Vorbereitungsschritt (inklusive der dazu benötigten Zutaten) einfach weg.
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Nichts besonderes tun, nur Fehler vermeiden
Man muß für ein Wildschwein-Ragu wirklich nichts Spezielles tun, nur ein paar Dinge beachten:
- Junges Wildschwein oder Frischling darf man nicht beizen.
- Fleisch, das keinen strengen Wildgeschmack hat, muß man ebenfalls nicht beizen.
- Wenn man beizt: Die Beize darf nicht für das Garen verwendet werden. Warum man die ausgediente Beize wegkippt, habe ich in diesem Beitrag beschrieben; und
- Das Fleisch darf beim Anbraten nicht im eigenen Saft schmoren, sondern muß im Fett kurz aber scharf angebraten werden (also wie Gulasch).
In Deutschland darf ein übrigens Jäger (unter Beachtung bestimmter Regeln) sein frei geschossenes Wildschwein verkaufen. Nicht so im zunehmend hysterischen Italien: Alle Chinghiale-Produkte, ob frisch oder zur Salami verarbeitet, sind aus Zucht. Jäger dürfen das Schwein nur selber verzehren oder an Freunde weitergeben. Mehr noch als bei uns haben dort die Totalkontroll-Faschos das Land eisern im Griff (siehe auch die Corona-Fascho-Nummer). Wer wirklich „wildes” Wildschwein aus Italien haben will, der muß einen Jäger persönlich kennen.
Vorsicht bei italienischen Foodblogs
Kaum ein Beitrag auf mybanto kommt ohne Seitenhieb auf die deutsche Foodbloggerszene aus. Die „Megalecker”-Experten sind mit ihrer penetrant zur Schau getragenen Ahnungslosigkeit wirklich allgegenwärtig (der letzte Unsinn, den ich gelesen habe, ist, dass man bei Blätterteig Süßrahmbutter verwenden muß). Französische und italienische Seiten sind zar auch nicht pauschal unsinn-frei, aber das allgemeine Niveau ist meist höher. Für das Rezept in diesem Artikel möchte ich dich aber klar vor der italienischen Bloggerszene warnen: So viel Unsinn wie zu Ragu di Cinghiale ist mir selten untergekommen: Mal verwendet einer die alte Beize, um das Ragu zu kochen, mal mischt einer das Gemüse mit dem Ragu so trocken an, dass es Einem schon vom Zuschauen der Hals einschnürt.
Kommen wir aber zum Rezept.
Rezept für Ragu di Cinghiale
Für 4–5 Personen
Wie bereits gesagt: Man darf Frischling nicht beizen. Normal riechendes Fleisch muß man ebenfalls nicht beizen. In diesem Fall ignorierst Du den Beiz-Verabeitungsschritt und fängst direkt bei Schritt 4 an. Die Gesamtzubereitungsdauer reduziert sich dann auch um 12 Stunden. Die Zutaen für die Beize brauchst Du dann natürlich auch nicht, da diese in meinem Rezept komplett entsorgt werden.
I. Zutaten
Für die Beize (nicht nötig bei Frischling)
- Ca. 0,65 l trockener Rotwein (San Giovese, Chianti, Barolo, Refosco, Merlot, Primitivo, Barbera, Nebbiolo)
- 1 Karotte
- 1 Stück Stangensellerie
- 1 weiße Zwiebel
- 3 Nelken + 10 Wacholderbeeren + 3 Lorbeerblätter
Für das Ragu
- Olivenöl
- 100 g sehr fein gehackte Zwiebeln
- 30 g sehr fein gehackten Stangensellerie
- 30 g sehr fein gehackte Karotten
- 3 Nelken + 5 Pfefferkörner + 10 Wacholderbeeren + 2 Lorbeerblätter + 1 Zweig Rosmarin und/oder Thymian
- 600 ml passierte Tomaten
- ca. 0,4 l Rotwein (geeignete Weinsorten s.o.)
II. Zubereitung
Der Vorlauf zu diesem Gericht beträgt mit mindestens 12-stündiger Beize und einer mindestens 6-stündigen Garzeit ca. 18 Stunden.
Beizen (nicht nötig bei Frischling – gehe zu Schritt 4)
- Wild waschen und in eine ausreichend große Schüssel geben.
- Zwiebel, Karotte, Stangensellerie grob teilen und mit Gewürzen zum Wild geben.
- Mit Rotwein vollständig bedecken und mit Folie abgedeckt über Nacht im Kühlschrank ziehen lassen.
Zubreitung des Ragu
- Gemüse sehr fein hacken.
- Beize restlos abgießen. Die Gründe dafür erfährst Du hier.
- Gebeiztes Wildschwein mit Küchenpapier trocknen.
- Olivenöl in einem schweren Topf erhitzen und Wildschwein in drei Portionen kurz scharf anbraten. Es ist wichtig, dass das Fleisch nicht im Saft schmort, sondern im heißen Öl anbrät. Fleisch dann zur Seite stellen.
- Zwiebeln im verbliebenen Fett und Fleischsaft bei niedrig-mittlerer Hitze mit etwas Salz langsam glasig garen.
- Karotten und Sellerei dazugeben und für ca. 5 Minuten mitdünsten.
- Fleisch mit den Gewürzen dazugeben zum Gemüse geben. Alles bei mittlerer-hoher Hitze für 1,2 Minuten anbraten. Salzen, dann passierte Tomaten dazugeben und für weitere 1–2 Minuten dünsten.
- 2/3 des Weins dazugeben und abgedeckt auf niedriger Stufe für mindestens 6 Stunden leise garen. Ab und zu umrühren, bei Bedarf etwas Wasser und weiteren Wein zugeben. Je nach Stück zerfällt das Fleisch von selbst nach einer gewissen Zeit. Man kann etwas nachhelfen, indem man nach ca. 3 Stunden mit dem Löffel die Fleischstücke im Topf zerquetscht.
- Zu dem Ragu passen Orecchiette, Pasta di Gragnagno (Spaghetti), Pappardelle, Gnochi, Couscous, Spätzle oder die als Pici bekannten Nudeln aus der Toskana. Beim Servieren nach Gusto mit Parmesan bestreuen.
Wie bereits gesagt: Das Ragu schmeckt am Folgetag der Zubereitung am besten, weil erst dann alle Zutaten vollständig integriert sind. Und: Falls Du belastbare Erfarung in der Zubereitung von Ragu di Cinghiale hast und findest, dass deine Zubereitung besser ist und die Meinige verbessert werden kann, bin ich an einem Austausch mit dir interessiert.